Gespannt auf die Überschneidungen zwischen Psychologie, Medizin und Psychotherapie und recht unwissend, was denn nun so genau thematisch auf mich zukommen würde, bewarb ich mich einige Monate im Voraus auf ein Teilnahmestipendium des Deutschen Kongresses für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Mai 2023 in Berlin.
Mit Veröffentlichung des diesjährigen Programms sprachen mich besonders die eher therapeutischen Thematiken zu dissoziativen Störungen, Trauma- und Traumafolgestörungen, e-Mental-Health Anwendungen, sowie die DDR/BRD Gesundheitsversorgungssymposien und der Vortrag zu Alternativen Emotionserfahrungsmodellen und ihren klinischen Implikationen an.
Mitten im Kongress
Im Symposium zu Dissoziativen Störungen konnte ich viel meines psychologischen Wissens mit neuen Erkenntnissen zur Amygdala und dissoziativen Zuständen verknüpfen und notierte mir einige hilfreiche Ideen zur Diagnosemitteilung im Kontakt mit Patient*innen mit diesem Störungsbild. Besonders gefreut haben mich auch die beiden Symposien zu den Unterschieden in der Gesundheitsversorgung und Vermögensverteilung in der DDR im Vergleich zur BRD, da die Unterschiede teilweise noch heute bestehen und meiner Meinung nach viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Am Freitagvormittag begaben sich zwei miteinander gut bekannte amerikanische Professoren in einen weiteren beeindruckenden Austausch über alternative Emotionserfahrungsmodell, welcher uns als Publikum eine analytische Sicht auf Emotionserfahrungen anbot. Der anschließende Vortrag zu Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGas) regte uns als Publikum dazu an, über die zukünftige Verwendung von DiGas mit eigenen Patient*innen zu reflektieren und ließ bei vielen Kongressteilnehmer*innen die moralische Frage aufkommen, ob diese Anwendungen irgendwann aus kosten- und zeittechnischen Gründen bevorzugt statt Psychotherapie verordnet werden könnten. Zum Abschluss begeisterte mich der Vortrag zum Thema Verschwörungstheorien, da dieser einen sozialpsychologischen Fokus hatte und ich so eine spannende Theorie zur Verbreitung von Verschwörungstheorien kennenlernen durfte.
Was passierte eigentlich außerhalb der Säle?
Im Foyer ließen wir uns dazu anregen, VR-therapeutische Anwendungen auszuprobieren und standen virtuell auf der Klippe, um unsere Höhenangst zu testen und ließen anschließend im virtuellen Wohnzimmer Spinnen über unsere Hand klettern. Im Rahmen der Expositionstherapie bei Angststörungen für mich eine sehr spannende neue Entwicklung, die ich mir später gut zur Anwendung bei eigenen Patient*innen vorstellen könnte. Im Rahmen des Kongresses gab es auch die Möglichkeit verschiedene DiGas, wie somnio oder mentalis, im Foyer kennenzulernen, um eine erste Einschätzung der Bedienbarkeit und Benutzeroberfläche dieser Apps zu bekommen.
Stipendiat*innengruppe
Im Rahmen unserer Stipendiat*innengruppe sind auch immer wieder kontroverse Themen zur Lebens- und Arbeitsplanung aufgetaucht, über die wir einen spannenden Austausch führten. So steht für viele die Frage nach dem Wunsch der Vereinbarkeit von Familie und Arbeit im Raum, die Forderung nach fairen Arbeitsbedingungen und vor allem humanen Arbeitszeiten. Dieser Austausch hat mir bewusst gemacht, dass alle Branchen ihre individuellen Problemfelder haben. Wir als (angehende) Psychotherapeut*innen sind zwar recht flexibel in der Einteilung unserer Stunden und haben damit einen recht familienfreundlichen Beruf, jedoch kommen auf uns neue Probleme im Ausbildungssystem durch die Psychotherapiegesetzreform zu. Überrascht hat mich im Folgenden auch, dass im medizinischen Bereich viel mehr darauf geachtet werden muss in welche Fachrichtung man sich bewegen möchte, wenn eine Vereinbarkeit mit Familie, insbesondere Kindern, gegeben sein soll. Dieser Austausch zwischen den Disziplinen führt hoffentlich auch dazu im (späteren) Team mehr gegenseitiges Interesse und Verständnis aufzubauen.
Insgesamt verlasse ich den Kongress mit dem Gefühl, viele neue Anregungen für mein späteres Berufsfeld gewonnen zu haben und freue mich, die ein oder andere Thematik schon jetzt in Eigenrecherche weiterzuverfolgen und vielleicht im nächsten Jahr wieder beim Kongress dabei sein zu dürfen.
Ein Blogbeitrag von Patricia Dorner, Masterstudentin der Klinischen- und Gesundheitspsychologie an der Universität Wien