Selbstverständlich war die Bahn nicht pünktlich, so musste ich mit meinem Poster im Gepäck noch länger im Zug ausharren, bis ich schließlich am Hauptbahnhof in Berlin ankam. Ich war sehr aufgeregt – als Studentin war ich vorher noch nie auf einem Kongress. Raus aus dem Zug, rein in die Straßenbahn, ins Hotel und direkt zum Veranstaltungsort – die Urania, von außen unscheinbar, die wehenden Fahnen leiten aber direkt den Weg. Es war schon einiges los – lauter Menschen, die sich unterhalten, wiedersehen, umarmen – eine schöne Atmosphäre. Man kennt sich, man schätzt sich, da bekommt man direkt Lust in einigen Jahren Teil dieser Community zu sein.
Dann endlich beginnt das Programm. Nach der Begrüßung startete der Kongress direkt mit dem Vortrag von Herr Schellnhuber. Dieser Vortrag war gleichzeitig für mich der Beeindruckendste. Gerade im Moment, wo die Medien voll sind mit Greta Thunberg und Jugendlichen, die für die Erde auf die Straße gehen. Mit Dieselskandal und Wetterkatastrophen. Mit Unsicherheit und Angst vor der Zukunft. Mit News und Fake-News. Mit einem Wirrwarr an Informationen und Meinungen. Da tat es sehr gut, einmal die nackten Fakten dargelegt zu bekommen. Ganz sachlich und nüchtern Vorgetragen. Und man wird das Gefühl nicht los, dass diese Zahlen nur der Anfang sind…dass die Berechnungen für die Zukunft richtig sind…dass wir in einer riesigen Geschwindigkeit auf den Abgrund zurasen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei verlieren wir alles.
Nach einer Stunde, in der man unangenehm oft an die eigenen Fehler und Unachtsamkeiten mit dem Klima aufmerksam gemacht wurde, würde ich am liebsten nie wieder Fleisch essen, fliegen oder Auto fahren. Jetzt wo ich ja endlich weiß, was das anrichtet….endlich…
Puh, nach der harten Kost knurrte mein Magen sehr. Irgendwas leckeres zu Essen wäre jetzt toll, ein netter Italiener liegt auf dem Heimweg. Ich schaffe es tatsächlich, einen Salat und eine vegetarische Pizza zu bestellen. Ganz im Geiste des Klimaschutzes. Und eine Cola-light. Naja, die ist immerhin in einer Glasfalsche.
Doch es ist fast schon beängstigend…am nächsten Morgen schon waren die Eindrücke verblasst, so schlimm wird es schon nicht sein. Was kann ich schon tun, ganz alleine. Das bringt ja auch nichts. Die Politik muss etwas tun! Das ist ganz klar!
Zugegeben, das ist tatsächlich ein schwieriges Thema was man so ganz alleine wirklich nicht lösen kann. Aber diese innere Einstellung hindert uns auch in anderen Belangen das zu tun, was wirklich richtig ist. Wir wissen es, meistens zumindest. Aber wir Menschen, manche mehr manche weniger, können eine Sache sehr gut: Verdrängen. Das können persönliche Sorgen sein, Überforderung, Unzufriedenheit mit einer Situation. Ein Trauerfall, ein persönliches Schicksal, über das man einfach nicht mehr nachdenkt. Ein Problem weniger….so hat man das Gefühl. Aber es brodelt, es gärt in uns – und auf der Welt. Und irgendwann ist es zu spät, dann brechen sich die Gefühle ihren Weg aus dem Gefängnis und das Leben kann aus den Fugen geraten.
Es kommt mir vor, alles wäre es der sinnvollste Beruf überhaupt, Menschen genau in dieser Situation zu helfen, wieder zu sich zu finden, die Gefühle zu benennen und zu verarbeiten. Ihnen beiseite zu stehen.
Die Psychosomatik ist so ein Fach. Hier äußern sich diese unterdrückten Gefühle oft mit Schmerzen oder anderen körperlichen Beschwerden. Über Monate und Jahre. Und dann finden diese Patienten hoffentlich jemanden, der ihnen zuhört und sie versteht. Wie schön!!!
Einen Psychosomatiker, der die Welt retten kann, gibt es wahrscheinlich nicht. Da müssen wir wohl oder übel alle ran – ja auch die Politik – aber vor allem muss sich jeder und jede einzelne seiner Verantwortung stellen.
Blogbeitrag von Janina Gnädig, Studentin